Die Kraft der Bewegung

Glänzende Formen, die sich je nach Lichteinfall und Standpunkt des Betrachters verändern, die Kraft des Kosmos und die Rotation der Erde um die Sonne, aber auch das winzige in der Vegetation und im Erdreich existierende Leben: Das sind die Themen von Nicole Eisenberg. Seit 2003 erschafft die französische Künstlerin in ihrem Atelier hinter der Villa Wessel abstrakte Bilderwelten.

Nicole Eisenberg mit einer Grafik in Bewegung Bild von Nicole Eisenberg Nicole Eisenberg mit einem ihrer Bilder Nicole Eisenberg Nicole Eisenberg

Was brachte sie aus ihrer Geburtsstadt Paris über Stationen in München, Cordoba und Buenos Aires nach Iserlohn? Die Liebe! »Mein Mann ist Deutscher und wurde im Jahr 2000 an das Iserlohner Goetheinstitut versetzt«, berichtet die 70-jährige Malerin, der man ihr Alter ganz und gar nicht ansieht, mit einem charmanten französischen Akzent. »Zunächst sollten es nur fünf Jahre sein, aber nach dieser Zeit war ich hier vor Ort so integriert, dass ich nicht mehr weg wollte. Iserlohn ist meine zweite Heimat.« Manchmal, wenn sie das Fernweh packt, lauscht sie dem französischen Rundfunk, Radio Europe 1. »Ich habe in Paris alle Viertel kennengelernt, das Leben dort ist anstrengend, laut und teuer. Natürlich brauche ich Frankreich, aber bitte nicht jeden Tag. Mein Atelier ist meine Insel!«

So abwechslungsreich wie der Lebensweg von Nicole Eisenberg ist auch ihre Kunst. Als junge Studentin begann sie ganz traditionell mit Acryll und Ölfarbe auf Leinwand, doch ein Besuch der ›d’art ancien chinois‹ führte zur intensiven Auseinandersetzung mit der chinesischen Technik der Lackmalerei, die schnell zur Inspirationsquelle ihres umfangreichen Schaffens wurde. »Im Gegensatz zur flexiblen Leinwand ist Lack ein rigides Trägermaterial und bietet die Möglichkeit mehrschichtigen Auftragens von Farbe und Firnis.« Zusätzlich verwendet sie Gold- und Silberblättchen sowie Aluminiumfolie. Sand, Watte, Kohle und Tusche kommen ebenfalls zum Einsatz. Farblich dominieren Grau, Silber, Schwarz und Weiß. »Ich mag die Atmosphäre, die diese Farben und Materialien ausstrahlen, das Reflektierende. Meine Bilder sind in jedem Moment anders, mal heller, mal dunkler!“

Eine wichtige Rolle spielt auch das Prinzip der Fotografie: Immer wieder tauchen Formen auf, die an das Negativ eines Fotos erinnern. Manchmal lassen sich auf ihnen schemenhafte Figuren und Landschaften ausmachen: ein Hügel mit einem Baum, winzige Insekten, ein angedeutetes Gesicht. Hier wird nichts abgebildet, es werden Stimmungen erzeugt. »Kunst hat die Kraft, etwas in uns Menschen anzusprechen und hervorzulocken, was unter der Oberfläche schlummert«, lächelt Nicole Eisenberg. In Gedanken, so erzählt sie, sei sie ständig im Schaffensprozess. Und das schon von Klein auf: »Ich war als Kind immer etwas anders, habe gerne Dinge modelliert.«

Vor einiger Zeit hat die experimentierfreudige Künstlerin ein weiteres Material für sich entdeckt: die Plastikfolie. Zu sehen sind Folienschnipsel hinter Glas, statisch aufgeladen, immer in Bewegung. »Folie ist sehr  elastisch und wandelbar, was den besonderen Reiz dieses ›lebendigen‹ Materials ausmacht: Die Schnipsel führen quasi ein dynamisches Eigenleben.« Zum Beweis streicht sie mit behandschuhten Fingern über die gläserne Oberfläche. Bei der Berührung nehmen die Folienschnipsel sofort eine andere, schwungvolle Form an. »So will ich die dritte Dimension darstellen: die Kraft der Bewegung.« Sie schmunzelt: »Das ist experimentelle Kunst. Manche Leute fürchten sich davor – und bewundern sie gleichzeitig.«

Artikel im Stadtmagazin Iserlohn, S. 16 in Ausgabe 14 (12/2010)


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